Was ist der RSI?

Der RSI (Relative-Stärke-Index) ist einer der bekanntesten Indikatoren der technischen Analyse und stellt neben dem MACD (auf den wir in einem anderen Artikel näher eingehen werden) meist den ersten Berührungspunkt eines noch unerfahrenen Traders mit dieser Materie dar.

Kurz zur Hintergrundgeschichte. Dieser oszillierende Indikator wurde im Jahr 1978 von Welles Wilder entwickelt. In diesem Artikel werden wir jedoch nur ein wenig an seiner Oberfläche kratzen.

Der heilige Gral?

Ich kann mich noch gut an meine erste Berührung mit dem RSI erinnern. Kein Wunder, war doch der erste Gedanke (recht naiv… ich weiß) tatsächlich, hier etwas wie den Heiligen Gral der technischen Analyse gefunden zu haben. Zudem haben div. „Mentoren“ der „YouTube-Universität“ seine Bedeutung so weit runtergebrochen, dass es beinahe unverantwortlich war.

Aber gehen wir Schritt für Schritt vor.

Der Indikator setzt die Bewegungen seines Basiswerts (egal ob Aktien, Kryptowährungen etc.) über einen gewissen Zeitraum in Relation. Dafür wird ein gleitender Mittelwert der Bewegungen berechnet und ins Verhältnis gesetzt.

Wilder selbst wählte hier 14 Tage als Standardwert (damals betrachtete man viele Charts noch in erster Linie auf der Tagesbasis). Aber auch Werte von 7, 9 oder 25 sind üblich.

In unserer schnelllebigen Zeit stehen die 14 Tage jetzt natürlich für Kerzen im Chart. Der RSI bezieht also für seine Berechnung die letzten 14 Kerzen ein. Je kürzer der betrachtete Zeitraum ist (also statt 14 z.B. 7), desto volatiler ist der Indikator in seinen Ausschlägen. Dadurch werden aber auch mehr Fehlsignale produziert.

Die Zonen des RSI

Dargestellt wird der RSI auf einer Skala von 0 bis 100.

Wieso aber dachte ich damals, es wäre der Heilige Gral?

Nun, dieser Bereich von 0 bis 100 wird in zwei Zonen eingeteilt. Die Zone oberhalb von 70 wird als „überkauft“ betrachtet. Die Zone unterhalb von 30 als „überverkauft“. Experten verfeinern diesen Bereich noch und wählen 80/40 in einem Bullenmarkt und 60/20 in einem Bärenmarkt.

Als Anfänger saugt man diese Information mit wachsender Begeisterung auf und denkt, in Zukunft muss ich ja nichts Weiteres machen, als in den entsprechenden Zonen zu reagieren. Also kaufen, wenn man in die 30er Zone fällt und verkaufen, wenn die 70 überschritten wird.

Schaut man im Chart zurück, wird daraus beinahe so etwas wie eine Bestätigung. Verdammt viele Bereiche erfüllen genau diese Kriterien und man kann es kaum erwarten, den ersten Trade abzusetzen.

Wo die Tücken liegen, zeigt z.B. der folgende Chart des Bitcoins auf Tagesbasis.

RSI im Bitcoinchart
RSI im Bitcoinchart

Am 16.12.2020 begab sich der RSI das erste Mal über die 70er Grenze. Wer mit Abschluss der Tageskerze verkaufte bekam für einen Bitcoin 20.500 US-Dollar, Es dauerte fast genau einen Monat, bis zumindest der RSI sich wieder unterhalb der 70 bewegte. Der Kurs wurde dort mit gut 35.500 US-Dollar abgeschlossen.

Wer hier stur nach RSI-Regel gehandelt hätte, hätte 15.000 US-Dollar an Gewinn verpasst. Mehr noch, der Tages-RSI erreichte seitdem nicht einmal mehr die 40 (Grenze für einen Bullenmarkt) und zum Zeitpunkt dieses Artikels, kratzen wir bereits wieder an der 60.000 US-Dollar Grenze.

Man darf also nie den Fehler machen und den RSI als einziges Kriterium heranziehen!

Er sollte immer im Zusammenspiel mit anderen Indikatoren, dem eigentlichen Trend und natürlich im entsprechenden Zeitfenster betrachtet werden.

Übrigens, rückblickend hätte ein Trader beim Bitcoin auf Tagesbasis diesen ungefähr bei 10.000 US-Dollar am 3. September 2020 gekauft und eben für 20.500 US-Dollar am 16.12.2020 verkauft.

Natürlich wäre auch das schon ein stolzer Gewinn von mehr als 10.000 US-Dollar pro Bitcoin gewesen, aber eine Garantie stellt das ganze eben nicht dar. Der Kurs hätte an der Stelle auch wochenlang im Bereich unterhalb der 30 verweilen können und wäre dann, selbst bei einem langsamen Anstieg in höhere Segmente, nicht automatisch wieder an die 10.000 rangekommen.

Man darf eben nicht vergessen, dass die letzten 14 Kerzen für die Berechnung herangezogen werden.

Der RSI ist also weit davon entfernt der besagte Heilige Gral zu sein. Er ist maximal eine bessere Entscheidungshilfe, um einen möglichst guten Einstiegs- bzw. Ausstiegspunkt zu finden. Dabei sollte er unbedingt auf mehreren Zeitebenen betrachtet werden. Wer gerne auf Minuten- oder Stundenbasis handelt, sollte zumindest schnell einen Blick auf die höheren Zeitebenen werfen.

Im Zusammenspiel mit z.B. einer 200er Tage-Linie (bzw. dem Durchschnitt der letzten 200 Kerzen), auf die wir ebenfalls in einem späteren Artikel eingehen werden, kann der RSI aber ein mächtiges Instrument darstellen. Aus dem anfänglichen blinden Rumgestochere im Nebel wird jetzt zumindest schon einmal ein halbwegs überlegter Einstieg in das Asset der eigenen Wahl.

Vor falschen Entscheidungen ist man natürlich trotzdem nicht ganz gefeit. Aber wer halbwegs gute Stopp/Loss-Grenzen sich setzt, wird in Zukunft deutlich profitabler am Markt agieren können.

Achtung: Alle Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information. Sie stellen keine Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im Depot von dem Autor.
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